You’re On Your Own
(The Awakening)

Hörprobe

 

Himmelsturm: Das Mädchen

Das Mädchen erwacht, in der vollkommenen Dunkelheit. Sie hat keine Erinnerung, kaum Sinneseindrücke, nichts als ihren Atem und die harte Pritsche, auf der sie liegt. Und Angst.

Nach und nach lernt sie tastend ihre Umgebung, vergrößert so ihre Eindrücke und Welt. Aber sie traut sich nicht, die Pritsche zu verlassen, aus Angst, da könnte nichts weiter sein als Dunkelheit und ein endloser Fall.

Bis das Licht kommt. Zaghaft zunächst, durch das kleine Turmfenster, dann immer stäker. Sie beginnt zu sehen, und ihr Tag beginnt.

Mit dem Licht weicht ihre Angst, und die Neugierde erwacht. Sie geht zum Fenster, blickt auf die Welt, und die Sonne, die geliebte Sonne, die mit ihrem gnädigen Licht die schreckliche Dunkelheit vertrieben hat. Und wird empfangen vom Sturm der Seelen,de schon auf die gewartet hat und ihr Bilder füttert, aus allen Himmelsrichtungen, von allen Dingen und Ereignissen, Menschen und Tieren, Freuden und Leiden, kurz, vom Leben da draußen.

Doch kein Tag währt ewig. Die Sonne versinkt, geht unter und stirbt. Und mit ihr das Licht. Die Dunkelheit kehrt mit aller Macht zurück, Und mit ihr, die Angst. Das Mädchen ohne Erinnerung, die gerade ihren ersten Tag erlebt hat, glaubt, die Sonne sei für immer verschwunden. Sie kehrt zu ihrer Pritsche zurück, allein in der Dunkelheit, verzweifelt, ohne Hoffnung.

Und dann, in dem kurzen Moment, wenn Heute zu Gestern und Morgen zu Heute wird, erinnert sie sich. An alles. An jeden einzelnen der tausend und abertausend  ersten Tage, die sie auf diese Art durchlebt hat.  Und an das vollkommene Vergessen, dass jedem dieser Tage folgt...

... und erwacht, in der vollkommenen Dunkelheit, ohne Erinnerung.

The Awakening vs. Das Mädchen

Wie das Mädchen erleben auch heute viele Menschen diese ewig gleichen Tage, ein ums andere Mal. Aus Angst vor der Dunkelheit, der Isolation und Einsamkeit, der Konfrontation mit den eigenen Erinnerungen und Ängsten, flüchten sie sich in den überwältigenden Sturm der Bilder und Eindrücke, welchen uns die modernen Medien nur zu gerne aus aller Welt zutragen.

Am Ende des Tages jedoch, wenn der Strom der Bilder versiegt und die Dunkelheit über uns herein bricht, wenn die Erinnerungen kommen und nichts mehr bleibt, was und von uns selbst ablenkt, bleibt eine unvermeidliche Erkenntnis zurück: Wir sind allein. Gefangen in uns und mit uns selbst, einem Menschen, den wir gar nicht mehr kennen, kennen wollen, von dem wir nicht einmal wissen, ob wir ihn mögen. Und so flüchten wir uns in den Schlaf, in das Vergessen, Ein kurzes Ruhen, bevor die Flucht am nächsten Morgen wieder aufs Neue - und immer Gleiche - beginnt.